Rezensionen zu Ausgabe 4

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Elmar Huber auf El Mundo Fantastico, 15. Juli 2015

STORIES

Scott Nicholson: Hounds of Love

Alles, was Dexter neben seiner unberechenbaren Mutter den guten Ratschlägen seines Vaters – „Sag ihnen, dass du sie liebst.“ – noch hat, sind die Tiere, deren Teile er, nachdem er mit ihnen fertig ist, zwischen den Wurzeln einer großen Eiche vergräbt. Eines Tages beobachtet Dexter, wie auf seinem kleinen Friedhof – im wahrsten Wortsinne – „unschuldiges“ Blut vergossen wird. In der darauffolgenden Nacht schleicht sich etwas von der Eiche bis zu Dexters Haus.

Sönke Hansen: Marta

Nach einer kurzen Besorgung im Supermarkt erwartet Martin ein Unbekannter in seinem Auto, der in zuerst zwingt, zu einem abgelegenen Haus zu fahren und ihn anschließend betäubt. Als er wieder zu sich kommt ist er an einen OP-Tisch gefesselt. In Gegenwart eines Verrückten, der keinen Zweifel an seinen Absichten aufkommen lässt. Zwei Monate zuvor soll Martin dessen Tochter überfahren haben. Doch Martin ist sich sicher, dass es nur ein Hund war, den er damals angefahren hat.

Mike Jansen: Auftrag in Amlwch

Um ihn aus der Schusslinie eines brisanten Falls herauszuhalten, wird D.I. James of Wheatfen nach Amlwch ins nördliche Wales geschickt, um dort einen rätselhaften Vermisstenfall zu klären. Drei Jahre zuvor ist Colonel John Persifal Stanley, kurze Zeit nach dem Tod seiner Frau, spurlos aus seinem Herrenhaus verschwunden.

MEINUNG

Ausgabe 4 der „Gazette für phantastische Abwege“ hält das hohe Niveau der Vorgänger und es ist den Verantwortlichen … für die schöne Regelmäßigkeit, mit der das Magazin erscheint. Damit ist VISIONARIUM als feste Größe der deutschsprachigen Phantastik etabliert und kann heuer sogar auf gleich zwei Ableger blicken, nämlich VISIONARIUM PRÄSENTEIRT und VISIONARIUM SONDERHEFT. Doch zurück zu Ausgabe 4:

Mit Scott Nicholson hat Doc Nachtstrom hier wieder einen englischsprachigen Autor an Bord, der im Heimatland als Selfpublisher auftritt und, was eine Besonderheit darstellt, auch die Übersetzungen und den Vertrieb seiner deutschen Veröffentlichungen ohne Verlagseinmischung selbst realisiert. Sein HOUNDS OF LOVE ist zwar „nur“ eine Variante von Stephen Kings FRIEDHOF DER KUSCHELTIERE, doch eigenständig genug, um voll zu überzeugen. Sönke Hansen baut in MARIA ein Folter-Szenario auf, dessen Hintergründe sich erst nach und nach aufblättern und das damit einige Überraschungsmomente für den Leser bereithält. AUFTRAG IN AMLWCH des niederländischen Autors Mike Jansen ist ein sehr schön geschriebener Gothic-Mystery-Krimi, der am Ende allerdings die Bodenhaftung verliert und damit nicht richtig rund wird.

Wie gewohnt steuern unterschiedliche Künstler exklusiv je eine Grafik zu den Geschichten bei.

Den Sekundärteil bilden ein Interview mit dem Sachbuchautor Roland M. Horn (u.a. UFO-SEKTEN), der über gänzliche neue Theorien zum Thema UFO-Sichtungen berichtet, ein Artikel über Alternativweltgeschichten insbesondere mit dem Erbmaterial des Dritten Reiches, die in Deutschland einen immer noch fragwürdigen Beigeschmack haben und ein Interview mit dem englischen (Comic)Kultautor MIKE CAREY (HELLBLAZER, LUZIFER, THE UNWRITTEN, die FELIX CASTOR-Reihe), der über seine Werke, seine Art zu schreiben, köchelnden Popkultureintopf und den regen Austausch mit anderen Autoren plaudert.

Komplettiert wird RÄTSEL UND WUNDER wieder von den Kurzbiografien der beteiligten Personen inkl. Buchtipps sowie einem Eigenwerbeteil der Edition Gwydion.

Über das großartige Layout von Jörg Vogeltanz sowie die hervorragende Innengestaltung und den sauberen Satz braucht man schon fast nichts mehr zu schreiben. Mustergültig im Bereich der Self-Publisher-Veröffentlichungen.

FAZIT

RÄTSEL UND WUNDER setzt die Erfolgsserie fort. Auch in Band 4 sind keine Müdigkeitserscheinungen zu erkennen, was die Wartezeit auf band 5 nicht gerade verkürzt.

Randolph C. auf Amazon, 29. März 2015

Rätselhaft, wundersam & ganz große Klasse

Rätselhaft und wundersam startet das österreichische Phantastik-Magazin ins Jahr 2015. Das Konzept ist seit Ausgabe 1 unverändert, und das ist auch gut so, funktioniert es doch nach wie vor prächtig und zeigt nicht die geringsten Abnutzungserscheinungen. Der allgemeine Qualitätsstandard ist so dermaßen hoch, daß man sich ernsthaft wundert, wie es die Macher dieser Gazette immer wieder schaffen, das Niveau beizubehalten. Auch diesmal sind drei Kurzgeschichten am Start, mit denen ich gleich mal beginnen möchte.

Ein Junge namens Dexter steht im Zentrum von Scott Nicholsons „Hounds of Love“. Sein Elternhaus ist zerrüttet, die Mutter Alkoholikerin, Gewalt steht an der Tagesordnung. Obwohl es ihn schmerzt, gibt er die Gewalt an Tiere weiter, die er anschließend im Wald verscharrt. Doch zu Halloween geschieht etwas Seltsames. Diese so verstörende wie faszinierende Erzählung überzeugt auf allen Linien. Teils Milieuschilderung, teils Coming-of-Age-Drama, teils Horrorschocker, teils Love-Story, Nicholson spielt geschickt mit Erwartungen und Ängsten, beherrscht auch die leisen Töne und endet seine von Tragik umwobene Geschichte auf eine schaurig-schöne Weise, die einen frösteln läßt.

Für Martin, den Protagonisten in Sönke Hansens Story „Maria“, beginnt das Unheil, als er seinen Wagen auf einem Behindertenparkplatz abstellt. Bald findet er sich in einer alten Waldhütte wieder, seinem Entführer auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Nur noch ein Wunder könnte ihn retten, doch mit Wundern ist das halt so eine Sache. Wow, diese Erzählung macht keine Gefangenen, ist schonungslos, krass, unbarmherzig, blutig, grausam, und richtig fies. Eine beinharte Rachephantasie, jedoch nicht ohne (pechschwarzen) Humor und einem bösen Twist.

Mike Jansens Kurzgeschichte „Auftrag in Amlwch“ bietet einen wunderbaren Kontrast zu Sönke Hansens splattrigem Mini-Epos. Der Londoner Polizist James of Wheatfen wird anno 1881 nach Amlwch, der nördlichsten Stadt von Wales, versetzt, um das rätselhafte, spurlose Verschwinden eines angesehenen Mannes aufzuklären. Jansen erweist mit seiner akribisch recherchierten und mit Unmengen an Details gespickten Erzählung den großen, alten Meistern der Schauerliteratur die Ehre. Die düstere Atmosphäre trieft zwischen den Zeilen hervor, der altmodische Stil (inklusive unheilschwangeren Tagebuchaufzeichnungen) fasziniert, und das Grauen schleicht sich unendlich langsam ins Leben des klugen, aufrechten Polizisten. Man könnte glatt glauben, daß „Auftrag in Amlwch“ gegen Ende des 19. Jahrhunderts geschrieben wurde. Und das ist durchaus als großes Kompliment zu verstehen.

Auch sekundärliterarisch gibt es in „Visionarium # 4“ wieder Spannendes, Interessantes und Informatives zu entdecken. Neben Interviews mit dem UFO-Experten und Sachbuchautoren Roland M. Horn sowie dem Schriftsteller und Comicautoren Mike Carey („Felix Castor“, „Lucifer“) entführt uns Jörg Vogeltanz in seine „Guilty Pleasure Zone“ und damit in das Reich des „Nazipunks“. Ausgehend von der grausigen Realität enthüllt der famos geschriebene Artikel gräßliche (Fast?-)Fakten (Vampir-Lager) ebenso wie bizarre Gerüchte (Reichsflugscheiben, die „Glocke“) und alternative Geschichtsszenarien in Romanform („Bitter Seeds“). Fantastische Illustrationen von Timo Grubing, Daniela Barbist und Michael Wittman sowie die unverzichtbare Vorstellung aller am Heft beteiligten Menschen runden das 170 Seiten starke Magazin (ohne die Vorstellungen und die (Werbe-)Hinweise auf andere „Visionarium“-Ausgaben sind es immer noch 130 Seiten) perfekt ab.

„Visionarium“ hat sich innerhalb kürzester Zeit zu meinem absoluten Lieblingsmagazin gemausert. Ich bin sehr gespannt, was die Zukunft noch bringen wird. Die Vorfreude auf viele weitere wunderbare Lesestunden ist jedenfalls sehr groß.

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